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Der Expressionismus in der Literatur

Was ist der Expressionismus?

In der Literatur bezeichnet man die vorherrschende Stilrichtung der Epoche von ca. 1905 bis 1925 als Expressionismus. Der Begriff wurde 1911 von dem Schriftsteller und Publizisten Kurt Hiller, der selbst dieser Strömung angehörte, geprägt.

Der Expressionismus war als Epoche jedoch keineswegs auf die Literatur beschränkt:

Expressionismus bezeichnet Kunst-, Musik- und Literaturströmungen zwischen 1910 und 1925 und ist als literarische Strömung eine Gegenbewegung zu Naturalismus, Realismus und Impressionismus. Der Expressionismus strebte die Erneuerung des Menschen an und befreite die Literatur von der herkömmlichen Ästhetik.

Quelle: DUDEN. Basiswissen Schule. Literatur. Mannheim, Bibliographisches Institut, 2006.

Auswirkung gesellschaftlicher Umbrüche auf die Kunst

Kennzeichnend für die Motivation der Expressionisten waren gesellschaftliche Veränderungen, die zu dem Wegbruch des Althergebrachten führten und zunehmend ein Gefühl der Richtungslosigkeit des Einzelnen hervorriefen.

Im Zuge der immer stärker um sich greifenden Industrialisierung und den damit einhergehenden Auflösungserscheinungen der gewohnten Familien- und Sozialstrukturen sowie den Umwälzungen im Arbeitsleben, die weitgehend als verunsichernd und entmenschlicht empfunden wurden, entstand unter den Künstlern das Verlangen mit den bisherigen Regeln des literarischen Schaffens zu brechen und der veränderten Lebenswirklichkeit auf diese Weise Rechnung zu tragen

Zur rasanten Entwicklung der Technik traten außerdem politische Instabilität sowie wirtschaftliche Schwierigkeiten des Staates hinzu. Die Gesellschaft erweckte deshalb bei vielen immer stärker den Eindruck einer kurzlebigen und gleichzeitig orientierungslosen Struktur, die durch ihr Übermaß an Reizen kaum noch zu begreifen war und die es durch Neuerung zu überkommen galt.

Zentrale Themen des expressionistischen Schaffens waren daher, neben dem den Einzelnen überfordernden Tempo der Großstadt, auch der Weltuntergang als Impuls zum Aufbruch in eine neue, bessere Zeit und in diesem Zusammenhang der Krieg, der zunächst als positives Mittel der Reinigung empfunden wurde und der erst als er durch Fronterfahrungen zerstörerische, brutale Realität wurde, auf ungeteilte Ablehnung stieß und daraufhin zu starken pazifistischen Strömungen im Expressionismus führte. Weitere verbreitete Motive waren die Vergänglichkeit des Lebens, der Tod und der Verfall, die jedoch nicht mehr romantisierend, sondern in ihrer ganzen Grausamkeit und Hässlichkeit dargestellt wurden.


Literaturgattungen

Die vorherrschende literarische Gattung des Expressionismus war die Lyrik, in der sich, durch den Bruch mit bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Regeln, eine eigene Textdynamik, die über den reinen Inhalt hinaus ging, besonders gut verwirklichen ließ.

Ab ca. 1910 gewann auch die expressionistische Dramatik zunehmend an Bedeutung, die meist durch Musik, Pantomime und Bühnenbild unterstützt wird und den Wandel zum neuen Menschen typisiert darstellt.

Im Gegensatz zu der Lyrik und der Dramatik entwickelte sich expressionistische Prosa nur sporadisch.


Expressionistische Lyrik

Merkmale expressionistischer Lyrik:

  • Aneinanderreihung von Zeilen und Strophen, die jeweils separat für sich stehen (Reihungsstil, Parataxe);
  • Bewusstes Auslassen von Wörtern, um Dynamik zu erzeugen;
  • Verwendung von Chiffren, Neologismen und Konnotationen;
  • Bruch mit den herkömmlichen Regeln der Reim- und Gedichtform einerseits,
  • andererseits Verwendung besonders strenger Formen (z.B. Sonett), um den Konventionsbruch durch den Inhalt in den Vordergrund zu stellen;
  • Zeilensprung (Enjambement)
  • Nichteinhaltung herkömmlicher Grammatikregeln zugunsten des Gesamtausdrucks

Beispiele expressionistischer Lyrik

Johannes R. Becher: Spartakus (1916)

Spartakus

Sklaven (Millionen) rissest du aus Schründen!
Und du zerschelltest. Dennoch blüht dein Reich.
O deine Tat besternt - welch Glück - die Welten ....
Der Mensch ist gleich.

Auch heute du zerstampft. Ein Noch-Zerschellter.
Sie aber töten nicht den Geist.
Zurück, empor gen unberührte Wälder!
Der Mensch sei frei!

Ich breche auf. Ich komme! Ah: Trompeten.
Die Gräber öffnen sich. Ich löse Blut.
Verkündigung: - Erfüllung. Ewiger Frieden.
Der Mensch wird gut!

Georg Trakl: de profundis

de profundis

Es ist ein Stoppelfeld, in das ein schwarzer Regen fällt.
Es ist ein brauner Baum, der einsam dasteht.
Es ist ein Zischelwind, der leere Hütten umkreist.
Wie traurig dieser Abend.

Am Weiler vorbei
Sammelt die sanfte Waise noch spärliche ähren ein.
Ihre Augen weiden rund und goldig in der Dämmerung
Und ihr Schoß harrt des himmlischen Bräutigams.

Bei der Heimkehr
Fanden die Hirten den süßen Leib
Verwest im Dornenbusch.

Ein Schatten bin ich ferne finsteren Dörfern.
Gottes Schweigen
Trank ich aus dem Brunnen des Hains.

Auf meine Stirne tritt kaltes Metall
Spinnen suchen mein Herz.
Es ist ein Licht, das in meinem Mund erlöscht.

Nachts fand ich mich auf einer Heide,
Starrend von Unrat und Staub der Sterne.
Im Haselgebüsch
Klangen wieder kristallne Engel.

August Stramm: Trieb

Trieb

Schrecken Sträuben
Wehren Ringen
Ächzen Schluchzen
Stürzen
Du!

Grellen Gehren
Winden Klammern
Hitzen Schwächen
Ich und Du!

Lösen Gleiten
Stöhnen Wellen
Schwinden Finden
Ich
Dich
Du!

Bekannte Vertreter des Expressionismus

Einige der bekanntesten Vertreter und Werke des Expressionismus sind:

  • Ernst Barlach, „Der arme Vetter“ (1918)
  • Gottfried Benn, „Morgue und andere Gedichte“ (1912)
  • Alfred Döblin, „Berlin Alexanderplatz“ (1929)
  • Kasimir Edschmid, „Die sechs Mündungen“ (1915)
  • Georg Heym, „Der Krieg“ (1911), „Der Gott der Stadt“ (1911)
  • Jakob van Hoddis, „Weltende“ (1911)
  • Else Lasker-Schüler, „Weltende“ (1904), „Die Wupper“ (1909)
  • Georg Kaiser, „Gas I“ (1918), „Gas II“ (1920)
  • Ernst Stadler, „Form ist Wollust“ (1914)
  • August Stramm, „Patrouille“ (ca. 1914)
  • Ernst Toller, „Die Wandlung“ (1919)
  • Georg Trakl, „De profundis“ (1912), „Grodek“ (1914)
  • Franz Werfel, „Der Weltfreund“ (1911)

Quellen und weiterführende Literatur

Deutsch, Literatur, Wissen

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